Sprechhemmungen überwinden – so können Lehrende helfen
In nahezu jedem Sprachkurs finden sich Teilnehmende, die unter Sprechhemmungen leiden und sich nicht trauen, etwas zu präsentieren. Für die es oft sogar ein Problem darstellt, laut vorlesen zu müssen. Die verstummen oder zu stottern beginnen, wenn sich die Aufmerksamkeit auf sie richtet. Oftmals spiegelt sich dies auch in ihrer Mimik, Körperhaltung und ihrem gesamten Verhalten wider. Sie wirken angespannt, wollen sich wegducken und verlassen vielleicht sogar den Raum, wenn ein Sprechanlass droht. Sie stehen ständig unter enormem Stress und sind dauernd auf der Flucht.
Diese Teilnehmenden, so Psychotherapeutin und DaF-Dozentin Heike Anna Koch, haben buchstäblich keine Stimme. Sie brauchen Unterstützung, um ihre Stimme zu finden und damit sich eine derartige Sprechhemmung nicht verfestigt. Denn jedes Erleben der eigenen Sprachlosigkeit nagt weiter am Selbstbewusstsein. Lehrende können Betroffenen helfen, diesen Zustand zu überwinden. Denn passiert das nicht, entwickeln Sprechgehemmte Vermeidungsstrategien, mit Sprechanlässen umzugehen. Schlimmstenfalls führt dies zum sozialen Rückzug und Depressionen.
Mit welchen Strategien aber kann man Lernenden mit Sprechhemmung helfen? Von großer Bedeutung ist zunächst einmal die Haltung der Lehrperson. Die positive Einstellung, dass jeder lernen kann, hilft dabei, ruhig und gelassen zu bleiben und Situationen, in denen die Sprechhemmung zutage tritt, mit Geduld zu begleiten.
Psychoedukation und persönliches Gespräch
Ein erster und wichtiger Schritt ist die Psychoedukation im Kurs, noch bevor dieser richtig startet. Psychoedukation heißt Aufklärung über ein psychisches Problem in einfachen Worten: was ist es, woher kommt es, was kann ich tun.
Ganz generell kann man als Lehrkraft, ohne jemanden direkt anzusprechen, die Angst vor dem Sprechen thematisieren und damit alle für die Nöte Betroffener sensibilisieren. Dies kann mit Bildern und Videos aus neurologischen und logopädischen Quellen erfolgen oder man generiert selbst Bilder mit einem KI-Tool wie Canva: Was macht Angst mit einem und wie wirkt sich das auf das Sprechen aus?
Außerdem sollten Lehrende unbedingt schon zu Beginn des Kurses das persönliche Gespräch mit den Personen suchen, die eine Sprechhemmung haben, und deren Sprechmuster erkunden. Den jede/r Betroffene entwickelt andere Strategien, um mit einem Sprechanlass fertig zu werden oder ihn zu vermeiden. Im Mittelpunkt des Gesprächs sollte hier auch die Frage stehen, wie die Lehrkraft am besten unterstützen kann. Zum Beispiel, ob sich der/die Betroffene wünscht, dass die Lehrkraft sich bei einer Präsentation einmischt oder eher zurückhält.
Aufmerksam beobachten und nach Bedarf eingreifen
Koch rät dazu, Teilnehmende mit einer Sprechhemmung nicht einfach aufzufordern zu lesen oder einen mündlichen Beitrag zu leisten. Lehrende sollten hier besser aufmerksam abwarten, bis diese Personen selbst die Bereitschaft signalisieren, etwas sagen zu wollen. Das verlangt viel Sensibilität, denn auch hier muss man als Lehrkraft viel auf die Körpersprache achten. Denn diese Teilnehmenden werden sich nicht offensiv melden.
Sollte es zu einer Situation kommen, in der eine Person ins Stottern gerät, ist es wichtig, Ruhe und Sicherheit auszustrahlen. Also nicht einfach sofort jemand anderen dran zunehmen, sondern zu fragen, ob ob der /die Betroffene Unterstützung möchte. Zum Beispiel, indem der gesamte Kurs zusammen laut liest statt nur eine Person. Oder die Lehrkraft liest gemeinsam ein paar Sätze mit und zieht sich dann zurück.
Theater spielen – die Maske als Schutz
Hilfreich ist immer Musik, Theater und Singen in den Unterricht einzubeziehen, weil es dazu beiträgt, die gesamte Muskulatur zu entspannen. Und damit auch die Muskeln, die zum Sprechen benötigt werden und die bei Sprechhemmungen oft ebenfalls verspannen oder nicht richtig zusammen arbeiten. Entspannung hilft hier enorm dabei, neue Sprechmuster zu entwickeln. Nicht nur Singen, sondern auch rhythmisches Sprechen erleichtert Personen mit Sprechhemmung das Sprechen.
Theater zu spielen, hat einen weiteren Vorteil: Es können zum Beispiel Masken eingesetzt werden. Für Lernende mit Sprechhemmung ist das wie ein geschützter Raum, weil sie ihre Mimik nicht zeigen und nicht so viel von sich preisgeben müssen. Theater gibt außerdem die Möglichkeit, in unterschiedlichen Stimmlagen zu sprechen und Bewegung und Sprache zu verbinden. Bestimmte Körperhaltungen wirken sich positiv auf das Sprechen aus, Übungen zur überdeutlichen Betonung, wie sie im Theater oft praktiziert wird, beziehen den ganzen Kurs mit ein und helfen insbesondere den Personen mit Sprechhemmung.
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Unsere Autorin
Ariane Suckfüll arbeitet als DaF/DaZ-Dozentin, Journalistin und Prüferin. Als Lehrerin hat sie schon auf allen Niveaustufen unterrichtet. In letzter Zeit war sie vor allem in der Flüchtlingshilfe aktiv. Als Journalistin war sie viele Jahre für verschiedene, auch internationale Fachzeitschriften tätig und oft im Ausland unterwegs. Für den Blog Unterrichtspraxis DaF/DaZ verbindet sie Erfahrungen aus beiden Bereichen.