Weihnachten – (k)eine Tradition?
In der Zeit vor Weihnachten fragen die TeilnehmerInnen meiner Deutschkurse mich häufig, wie die Deutschen dieses Fest feiern. Was essen sie an Weihnachten, was schenken sie sich, gehen sie in die Kirche? Welche Weihnachtstraditionen pflegen sie?
In meinem Kopf verschwimmen eigene Kindheitserinnerungen mit vielen Klischees. Weihnachtsgeschenke, Weihnachtsplätzchen, Weihnachtsgans, Weihnachtsbaum, Weihnachtslieder, Christkind und Christmette, alles im Kreise der Familie. Was soll ich erzählen, ohne mir wie eine Märchentante vorzukommen?
Denn gehört das alles wirklich (noch) zu den deutschen Weihnachtstraditionen? Oder ist dieses Fest letztlich nur noch ein Vorwand für einen kollektiven Konsumrausch? Zu letzterem gibt es mittlerweile immerhin einen Gegentrend. Viele Menschen wollen sich gerade anlässlich des Weihnachtsfests dem Konsumzwang widersetzen. Immer mehr haben immer weniger Lust auf überfüllte Geschäfte und das ewig gleiche Gedudel aus den Lautsprechern. Und auch dem Onlinehandel stehen diese Personen kritisch gegenüber. Der völlige Verzicht auf Weihnachtgeschenke ist eine Alternative. Die anderen sind selbstgemachte Geschenke oder Geschenke mit einem ideellen Wert wie Konzertkarten für ein gemeinsames Erlebnis.
Weihnachtstraditionen neu definiert
Die Weihnachtsgans weicht allmählich Speisen (gern auch vegetarisch oder vegan), die dem Appetit einer Kleinfamilie oder eines Paares mehr entsprechen. Denn nicht jeder feiert im Kreis einer großen Familie, in der mehrere Generationen zusammenkommen. Für viele Menschen ist auch das eine ganz bewusste Entscheidung. Sie hoffen auf mehr Ruhe und weniger Stress und wollen lieber gemeinsame Zeit mit wirklich Nahestehenden verbringen. Dazu gehört auch, dass manch einer eher mit Freunden feiert als mit Verwandten.
Der Weihnachtsbaum ist oft zu groß für kleine Großstadtwohnungen. Wo er aber Platz findet, gehört er nach wie vor zu den beliebten Weihnachtstraditionen.
Gebacken wird auch gern vor Weihnachten, zu Klassikern wie Vanillekipferln und Zimtsternen gesellen sich vegane Hipsterkekse. Rezepte findet man reichlich in den kostenlosen Marketingzeitschriften von Drogeriemärkten und Lebensmittelketten.
Die weiße Weihnacht scheint dem Klimawandel geschuldet endgültig der Vergangenheit anzugehören. Vielleicht war sie aber auch früher in manchen Regionen Deutschlands nicht immer so weiß, wie einen die Erinnerung glauben machen will.
Den Kirchen kehren immer mehr Menschen den Rücken, aber an Weihnachten vielleicht doch in eine Kirche zurück. Sei es, dass sie die festliche Atmosphäre mögen oder einfach, weil sie es als Tradition aus ihrer Kindheit kennen.
Manche Weihnachtstraditionen verschwinden mehr und mehr, andere wandeln sich, entwickeln sich neu oder werden wiederbelebt. Aber alle Deutschen schätzen sicher die Tradition, dass es am Jahresende ein paar erholsame freie Tage gibt.
Ganz in diesem Sinne wünschen wir schöne Feiertage!
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Unsere Autorin
Ariane Suckfüll arbeitet als DaF/DaZ-Dozentin, Journalistin und Prüferin. Als Lehrerin hat sie schon auf allen Niveaustufen unterrichtet. In letzter Zeit war sie vor allem in der Flüchtlingshilfe aktiv. Als Journalistin war sie viele Jahre für verschiedene, auch internationale Fachzeitschriften tätig und oft im Ausland unterwegs. Für den Blog Unterrichtspraxis DaF/DaZ verbindet sie Erfahrungen aus beiden Bereichen.