Gesellschaftliche Entwicklungen und die Debatte um Sichtbarmachung aller Geschlechter in der Sprache haben einen Sprachwandel vorangetrieben und zur Herausbildung einer Vielfalt an Varianten für Personenbezeichnungen geführt. Inklusive Formen etwa mit Genderstern oder Doppelpunkt sowie Partizipformen finden sich heute in vielen Textsorten und auch neueste Lehrwerke bilden diesen Sprachgebrauch ab.

Die Verwendung dieser gendersensiblen Sprache wird kontrovers diskutiert: Die einen sprechen von der Notwendigkeit einer diskriminierungsfreien Sprache, weil sie davon ausgehen, dass Sprache das Denken beeinflusst. Die anderen kritisieren den „Genderwahn“ als sinnlosen Eingriff in die deutsche Sprache. Nicht die Sprache müsse verändert werden, sondern die Gesellschaft.

Dr. Angela Lipsky, Dozentin an der Sophia-Universität in Tokyo, beschäftigt sich schon seit langem mit Geschlechtergerechtigkeit in der deutschen Sprache. Dabei geht es ihr nicht darum, Lernende von der Verwendung bestimmter Formen zu überzeugen, sondern deren sprachliche Kompetenz zu fördern. Ganz konkret zum Beispiel beim Lesen von Stellenanzeigen, die aus rechtlichen Gründen gegendert sind. Oder etwa beim Hören von Nachrichten, bei denen alle Geschlechteridentitäten durch den Glottisschlag innerhalb eines Wortes einbezogen werden sollen.

Binnen-I, Stern oder gar nichts?

Selbst für Personen, deren Erstsprache Deutsch ist, ist das Gendern eine sprachliche Herausforderung. Wann ist das Binnen-I richtig, wann kommt ein Gendersternchen zum Einsatz und welche Wörter müssen überhaupt nicht gegendert werden? Für viele Lehrende stellt sich hier schon die Frage, ob sie das ihren Lernenden zumuten können und wollen. Andererseits ist es für Kursteilnehmende wichtig, mit der sprachlichen Vielfalt umzugehen, um authentische Texte rezipieren und bestimmte Diskurse verstehen zu können.

Lipsky verdeutlicht die Möglichkeiten des Genderns am Beispiel des Wortes Lehrer. Spricht man von einer Gruppe von Personen, so kann Lehrer auch Frauen mit einschließen – gemäß der ursprünglichen Verwendung als generisches Maskulinum. Das Binnen-I im Wort LehrerInnen fasst maskuline und feminine Pluralform, also Lehrer und Lehrerinnen, zusammen.

Andere Geschlechtsidentitäten werden mit der Verwendung von Doppelpunkt, Sternchen oder Unterstrich einbezogen: Lehrer:innen, Lehrer*innen oder Lehrer_innen sind sogenannte Neographien, die wie das Binnen-I noch nicht zur amtlichen deutschen Rechtschreibung gehören. Und dann gibt es natürlich noch neutrale Begriffe für diese Berufsgruppe wie Lehrpersonen, Lehrkräfte oder Lehrende.

Gendersensible Sprache und Übungen im Sprachunterricht

Angela Lipsky zeigt anhand der Grammatik und Wortbildung Anknüpfungspunkte auf, mit denen Lehrende gendersensible Sprache im Unterricht thematisieren können. Zum Beispiel anhand der Besprechung von Suffixen wie -kraft oder -person, mit denen man ein neutrales Nomen wie Führungskraft oder Lehrperson generieren kann. Oder aber das Suffix -ung, mit dessen Verwendung Personen abstrakt umschrieben werden können, etwa die Firmenleitung.

Ebenfalls können Lehrende am Beispiel von Adjektiven und Partizipien als Nomen aufzeigen, wie man Pluralformen geschlechtsneutral verwenden kann – wie die Kranken oder die Demonstrierenden. Als Übung für die Bezeichnung von Gruppen bietet es sich an, Lernende eine Tabelle mit unterschiedlichen Nomen im Plural vervollständigen zu lassen. Zum einen mit der traditionellen Form, dem generischen Maskulin, binär (m, w oder w, m), inklusiv (m, w, d) und schließlich noch mit einer geschlechtsneutralen Form.

Aber auch anhand von authentischen Texten können Lehrende ihre Kursteilnehmenden für bestimmte Formen sensibilisieren. Im Hueber-Lehrwerk Momente A2 beispielsweise gibt es einen Fokus auf Gruppenbezeichnungen in Texten. Ein möglicher Arbeitsauftrag: Die Lernenden sollen im Text Sechs Tipps für den ersten Tag im neuen Job (Lektion 15) alle Gruppenbezeichnungen suchen. Anschließend sollen sie dazu Varianten bilden: aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Mitarbeitende. Abschließend könnten die Unterschiede der Varianten besprochen werden, um für die jeweilige Bedeutung zu sensibilisieren.

Ein grammatischer Zugang entsteht etwa durch die Beschäftigung mit Pronomen. Es gibt Pronomen wie jemand oder niemand, von denen es nur eine maskuline Form gibt. Eine/r oder jede/r dagegen bieten eine maskuline oder feminine Form. Wieder könnten die Lernenden Texte nach bestimmten Pronomen durchsuchen und reflektieren, wen das jeweilige Pronomen einschließt. Und dann jeweils versuchen, sie durch eine neutrale Variante zu ersetzen. Aus jemand, der Englisch spricht wird vielleicht eine Person, die Englisch spricht. Jeder lässt sich durch die Schreibweise jede:r inklusiv verwenden.

Interesse an mehr Übungen zum gendersensiblen Umgang mit der deutschen Sprache? Dann besuchen Sie unser Webinar mit Dr. Angela Lipsky am 23.02.24:

Webinartipp:
Wie viel gendersensible Sprache braucht der DaF-/DaZ-Unterricht?

Das Hueber-Webinar mit Dr. Angela Lipsky am 23.02.2024:
Wie viel gendersensible Sprache braucht der DaF-/DaZ-Unterricht?

 

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