Neulich besuchte ich eine Fortbildung des Hueber Verlags. Es ging um berufsbezogene Deutschkurse. Im Rahmen der Veranstaltung erzählte eine Lehrerin von ihren Erfahrungen in einem Kurs, der ausschließlich von syrischen Teilnehmer/innen besucht wurde. Thema im Kurs waren Beschwerden und Reklamationen. Die Lernenden schlüpften in die Rolle eines Hotelmanagers, der auf die Beschwerde eines Gastes reagiert. Die Teilnehmer verblüfften die Lehrerin mit Aussagen wie: „Wir werden den Verantwortlichen streng bestrafen.“

Auch wenn viele Teilnehmer/innen der Fortbildung spontan lachten, ist die Situation dennoch ernst zu nehmen. Denn sie erfordert viel Fingerspitzengefühl und die viel zitierte interkulturelle Kompetenz. Damit ist die Fähigkeit gemeint, mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen erfolgreich und angemessen zu interagieren. Im engeren Sinne, die Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen unterschiedlicher kultureller Orientierung.

Interkulturell kompetent reagieren

Wie hätten sich die Lernenden gefühlt, hätte auch die Kursleiterin mit Lachen reagiert? Sicher unwohl, denn es kostet immer Überwindung, sich in einer fremden Sprache auszudrücken. Dennoch ist es eine der Aufgaben der Dozent/innen, den Teilnehmenden eine andere kulturelle Sicht zu ermöglichen und zu zeigen, dass „Bestrafen“ in diesem Kontext in deutschsprachigen Ländern befremden würde. Teilnehmer/innen eines berufsbezogenen Kurses brauchen in diesem Fall einen Einblick in den kulturellen Umgang mit Fehlern, um hier in einem beruflichen Umfeld klarzukommen. Das macht deutlich, Sprachunterricht hat immer eine Metaebene, die eine andere kulturelle Sichtweise aufzeigt.

Gerade das ist für Dozent/innen eine große Herausforderung, wenn sich die kulturelle Orientierung der Teilnehmenden stark von der eigenen unterscheidet. Doch auch hier kann die lehrende Person im Sinne der Prinzipien einer kommunikativen Didaktik Lernhelfer sein, der die Lernenden unterstützt, andere Sichtweisen zu entdecken und zu verstehen.